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Hast du schon einmal von einer sogenannten Massenangst gehört? Einer irrationalen Panikwelle, die plötzlich ganze Gruppen erfasst? Klingt absurd – ist aber Realität. In der Psychologie gibt es dafür viele spannende Beispiele. Eines davon: In den 1960er-Jahren breitete sich in Südostasien die Angst aus, dass sich durch den Verzehr bestimmter Fleischprodukte Körperteile verändern oder zurückbilden könnten. Die Folge? Menschen gerieten in Panik, versuchten sich zu „schützen“ – teilweise mit gefährlichen Methoden. So irrational diese Angst wirkt, so sehr zeigt sie: Angst ist ein mächtiges Gefühl. Und manchmal ein sehr trügerisches.
Dabei ist Angst grundsätzlich etwas Gutes. Im Laufe der Evolution war sie ein echter Überlebensvorteil: Sie hat unsere Vorfahren davor bewahrt, in gefährliche Situationen zu geraten – etwa vor wilden Tieren gefressen oder beim Beerenpflücken vergiftet zu werden. Auch wir profitieren heute noch davon. Angst signalisiert: Achtung, hier droht Gefahr!
Wann Angst hilft – und wann sie stört
Aber Angst hat zwei Seiten. Sie kann überlebenswichtig sein – oder sie kann lähmen. Der Unterschied liegt oft in der Intensität. Ein kurzes Gefühl der Furcht, wenn plötzlich ein Auto um die Ecke schießt, ist hilfreich. Aber die anhaltende Sorge, dass irgendwann etwas passieren könnte – obwohl keine konkrete Gefahr besteht – kann unseren Alltag erheblich belasten.
In der Psychologie unterscheidet man zwischen:
- Furcht: Eine akute Reaktion auf reale Gefahr (z. B. ein heranrasendes Auto).
- Angst: Ein oft diffuser Zustand, meist ohne direkten Auslöser (z. B. die ständige Sorge, dass „etwas passieren könnte“).
Beide Gefühle sind normal. Doch wenn Angst das eigene Leben stark einschränkt, spricht man von Angststörungen.
Irrationale Ängste – und warum sie trotzdem real wirken
Viele Menschen kennen ganz individuelle Ängste, die für andere kaum nachvollziehbar sind. Zum Beispiel:
- Die Angst, in der Schwimmbad-Lüftung könne sich ein Hai verstecken.
- Die Sorge, dass nachts beim Toilettengang ein Tier aus dem Abfluss springt.
- Oder sogar die Angst davor, von einer Ente beobachtet zu werden (ja, das hat sogar einen Fachbegriff: Anatidaephobie).
Auch der Begriff Sesquipedalophobie ist kein Witz – das ist die Angst vor langen Wörtern. Ironisch, oder?
Wenn Angst überhandnimmt
Manche Ängste gehen weiter. Eine generalisierte Angststörung liegt vor, wenn Menschen über mindestens sechs Monate hinweg übermäßig besorgt sind – ohne echte Gefahr. Oft begleiten Schlafprobleme, Reizbarkeit oder körperliche Symptome dieses chronische Grübeln.
Dann gibt es noch Panikattacken – plötzliche Angstwellen ohne konkreten Anlass – und Phobien, also übertriebene Ängste vor bestimmten Situationen, Objekten oder Tieren. Wenn ihr z. B. Keller meidet, weil dort Spinnen sein könnten, ist das mehr als nur ein unangenehmes Gefühl.
Warum Angst manipulierbar macht
Angst kann unser Denken vernebeln – das machen sich leider auch politische Akteure zunutze. Studien zeigen, dass angstauslösende Reize in Wahlkampagnen unsere Einstellungen beeinflussen können. Wer sich bedroht fühlt, wünscht sich schnelle, einfache Lösungen – auch wenn diese wenig rational sind.
Doch wie schützt man sich davor?
Was man gegen lähmende Angst tun kann
Es gibt verschiedene Strategien, mit Ängsten besser umzugehen – und sie vielleicht sogar zu nutzen:
- Neubewertung statt Vermeidung
Ein Klassiker unter den Angstbewältigungsstrategien ist das sogenannte Reframing. Dabei geht es darum, die angstauslösende Situation bewusst neu zu bewerten.
Beispiel: Spinnen müssen nicht furchteinflößend sein – sie sind nützliche Tiere mit faszinierenden Fähigkeiten. Man kann versuchen, den Fokus auf das Interessante oder Harmlosere zu richten, statt auf die Bedrohung. - Angst in Aufregung umdeuten
Eine spannende Studie von Allison Wood Brooks an der Harvard Business School hat gezeigt: Wer in einer Stresssituation seine Angst umdeutet, kann deutlich besser damit umgehen.
In dem Experiment sollten Versuchspersonen vor anderen den Song Don’t Stop Believin’ singen – eine potenziell sehr angstauslösende Situation.
Vor dem Auftritt mussten sie einen von fünf Sätzen laut aussprechen, zum Beispiel:- „Ich bin ängstlich“
- „Ich bin ruhig“
- „Ich bin wütend“
- „Ich bin traurig“
- oder: „Ich bin freudig aufgeregt“
Der Grund: Angst und Aufregung erzeugen ähnliche körperliche Reaktionen (z. B. schneller Herzschlag, höhere Atemfrequenz). Wenn man diese Erregung als positive Spannung bewertet, ändert sich die ganze Wahrnehmung der Situation. - Ambiguitätstoleranz stärken
Menschen, die Unsicherheit aushalten können, sind weniger anfällig für manipulative Angstmacherei. Wer nicht sofort die erstbeste Erklärung akzeptiert, sondern auch mit offenen Fragen leben kann, trifft häufig durchdachtere Entscheidungen. - Angst als Signal sehen – nicht als Feind
Angst ist oft ein Hinweis darauf, dass etwas unsere Aufmerksamkeit braucht. Statt sie sofort zu bekämpfen oder zu verdrängen, kann es helfen, kurz innezuhalten und zu fragen:
Was genau macht mir gerade Angst? Und ist das wirklich eine akute Gefahr – oder eher ein Gedankenspiel?
Bei der sogenannten Expositionstherapie wird genau das geübt: Man konfrontiert sich gezielt mit angstauslösenden Reizen – zum Beispiel, indem man einer Spinne nicht sofort aus dem Weg geht, sondern sie beobachtet.
Fazit: Angst ist nicht dein Feind – aber auch kein guter Ratgeber
Angst ist ein zutiefst menschliches Gefühl. Ohne sie gäbe es uns vermutlich gar nicht. Aber wenn sie uns bestimmt, einschränkt oder manipulieren lässt, wird sie problematisch. Wichtig ist, achtsam damit umzugehen – und zu wissen, wann sie uns schützt und wann sie uns bremst.
Bleib mutig – und neugierig.