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„Hast du zufällig an das Geschenk für Jonas gedacht?“
„Ja, hab ich schon besorgt.“
„Wahnsinn, wie du immer alles im Kopf hast.“
Ich lächle. Und denke: Genau das ist das Problem.
Was nicht gesagt wird: Ich habe es seit Tagen im Kopf. Neben dem Zahnarzttermin, dem leeren Kühlschrank, dem Terminplan der Woche, dem Projekt im Job und dem Gefühl, ständig etwas zu vergessen.
Viele Menschen, vor allem Frauen, kennen dieses stille Überlastetsein. Nicht durch äußere Aufgaben – sondern durch die ständige gedankliche Zuständigkeit. Das ist Mental Load.
Was bedeutet Mental Load genau?
Mental Load beschreibt die unsichtbare Denk- und Planungsarbeit, die im Alltag ständig mitläuft. Sie zeigt sich nicht durch konkrete Tätigkeiten, sondern durch das dauerhafte Mitdenken:
Wer braucht was?
Wann ist welcher Termin?
Ist noch genug im Kühlschrank?
Hat jemand daran gedacht, das Geschenk zu besorgen?
Diese Denkarbeit bleibt oft unbemerkt – bis sie zu viel wird. Nicht, weil jemand zu wenig tut. Sondern weil jemand zu viel denkt.
Wie sich Mental Load im Alltag zeigt
Ein Beispiel: Jemand arbeitet im Homeoffice. Nebenher läuft im Kopf das Nachmittagsprogramm der Kinder, das Geburtstagsgeschenk für die Schwiegermutter, der Rückruf beim Zahnarzt, die Frage, ob noch genug Waschmittel da ist. Dazu: die Sorge, ob man heute auch an alles gedacht hat, was die anderen betreffen könnte.
Diese mentale Last ist nicht sichtbar, aber sie wirkt – und erschöpft.
Was sagt die Forschung?
Die Soziologin Allison Daminger (2019) beschreibt vier unsichtbare Phasen von Alltagsorganisation:
- Antizipieren – Was muss getan werden?
- Identifizieren – Wer ist betroffen?
- Entscheiden – Wie und wann soll es passieren?
- Kontrollieren – Wurde es erledigt?
In ihren Interviews zeigt sich: Frauen übernehmen diese Denkarbeit überdurchschnittlich oft – selbst wenn Männer sich an der Umsetzung beteiligen. Die Verantwortung für das Denken bleibt meist ungeteilt.
Weitere Studien bestätigen: Besonders in heterosexuellen Partnerschaften sind es überwiegend Frauen, die an alles denken. Auch wenn die Aufgaben selbst aufgeteilt scheinen, bleibt die mentale Verantwortung oft einseitig.
Warum Mental Load so belastend ist
Psychologisch betrachtet führt Mental Load zu einer dauerhaften Aktivierung des Gehirns. Der Bereich, der für Planung, Kontrolle und Voraussicht zuständig ist, bleibt ständig aktiv. Es fehlt der innere Leerlauf.
Das führt über kurz oder lang zu:
- Erschöpfung
- Konzentrationsstörungen
- Gereiztheit
- Schlafproblemen
- dem Gefühl, nie zur Ruhe zu kommen
Viele beschreiben es als „ständig angespannt sein, auch wenn man gerade nichts tut“. Das ist keine Einbildung – sondern eine Form chronischer kognitiver Überlastung.
Wer ist betroffen?
Mental Load kann alle Menschen treffen, unabhängig vom Geschlecht. Doch besonders häufig betrifft es:
- Frauen in Paarbeziehungen
- Eltern (insbesondere Mütter)
- Pflegende Angehörige
- Personen mit hoher emotionaler Verantwortung – im Beruf oder im Privaten
Häufig ist es nicht das Tun selbst, das erschöpft, sondern das Alleinsein mit der mentalen Verantwortung.
Was kann helfen – im Alltag und in der Beziehung
- Sichtbar machen
Was denkst du heute alles mit? Was hältst du im Kopf, das andere gar nicht bemerken? - Verantwortung neu verteilen
Nicht „Kannst du mir helfen?“, sondern: „Kannst du diese Aufgabe ganz übernehmen – inklusive Denken, Planen und Erinnern?“ - Regelmäßige Gespräche führen
Wöchentliche Abstimmungen: Was war zu viel? Was läuft gut? Was kannst du abgeben? - Das Unsichtbare aussprechen
Sprich darüber, was dich im Kopf belastet – nicht nur, was du tust.
Was Partner konkret tun können
Mental Load lässt sich nicht durch Mithilfe reduzieren, sondern durch echte Teilhabe. Das bedeutet:
- Zuständigkeiten vollständig übernehmen: inklusive Organisation, Termine und Nachverfolgung
- Selbst aktiv werden: fragen, planen, sich erinnern – nicht auf Zuruf
- Wertschätzung zeigen: anerkennen, was nicht sichtbar ist
- Sich selbst hinterfragen: Wer denkt hier eigentlich für wen mit – und warum?
Eine Woche lang können beide Partner unabhängig voneinander notieren, woran sie täglich denken müssen. Der Vergleich wirkt oft wie ein Spiegel – und ist ein guter Startpunkt für Veränderung.
Fazit
Mental Load ist nicht einfach „Stress“. Es ist eine Form stiller Überlastung, die entsteht, wenn Denken und Planen auf Dauer unausgeglichen verteilt sind. Wer sich dafür verantwortlich fühlt, dass niemand etwas vergisst, trägt mehr als nur Aufgaben – er oder sie trägt die ganze Struktur.
Veränderung beginnt nicht mit einem neuen Kalender, sondern mit einem ehrlichen Gespräch. Und mit dem Mut, Aufgaben auch im Kopf wirklich loszulassen.